Seit dem Beginn des Industriezeitalters prägen unzählige Rohrleitungen das Landschaftsbild des Ruhrgebiets. Viele von ihnen sind bis heute im Betrieb. Doch es gibt auch eine wachsende Zahl von stillgelegten Rohrsystemen, die zwar ihrer Funktion beraubt, jedoch nicht abgebaut wurden und weiterhin zu den sichtbaren Wahrzeichen dieser Region gehören. Und keine Rohrleitung war und ist ohne einen Absperrschieber denkbar, der im Bedarfsfall dazu genutzt wurde, um den gesamten Durchflussquerschnitt eines Rohres vollständig zu öffnen oder zu schließen. Dies war meist dann der Fall, wenn Rohre für Wartungs- oder Reparaturarbeiten abgesperrt werden mussten.
Der hier im LVR-Industriemuseum ausgestellte Absperrschieber war im umfangreichen Gasleitungssystem der ehemaligen Kokerei Hassel in Gelsenkirchen im Einsatz. Diese Anlage wurde von 1952 bis 1953 als Zentralkokerei der Zechen der Hibernia AG mit 110 Koksöfen und einer Benzol- und Ammoniakfabrik errichtet. Damit war sie zugleich der erste Neubau einer Kokerei in der noch jungen Bundesrepublik. 1957 noch einmal um 150 Öfen erweitert, produzierte die Kokerei für das deutsche Wirtschaftswunder neben Hochofenkoks für die Eisen- und Stahlerzeugung, Gießereikoks, Teer, Rohbenzol u.a.m. Koksofengas für die Industrie und Haushalte. Anfang der 1990er Jahre mussten jedoch wegen des damaligen Überangebots an Koks einzelne Produktionsbereiche stillgelegt werden. 1999 schloss die Kokerei Hassel schließlich ihre Tore und es drohte der Abbruch der letzten von einst 15 Kokereien in Gelsenkirchen. Noch im Jahr der Schließung konnte das LVR-Industriemuseum den Gasleitungsschieber in seine Sammlung aufnehmen. Doch die Zukunft der Anlage war hingegen zunächst ungewiss. Erst in den Jahren 2002 bis 2004 erfolgte der endgültige Abriss der aufstehenden Gebäude.
Fast 20 Jahre später ist auf der alten Industriebrache neues Leben erwacht. Auf einer Fläche von mehr als 30 Hektar entstand ein ökologisch anspruchsvolles Naherholungsgebiet. Anstelle von Koksbatterie-Öfen, Gleisanlagen des Verladebahnhofs und kilometerlanger Rohrleitungen wurde hier zwischen 2016 und 2020 ein neues Paradies für Tiere und Pflanzen geschaffen, das den vielversprechenden Namen Glückaufpark Hassel – Park des Wandels trägt. Im Rahmen der Neugestaltung fand auch das ehemalige Stellwerk, eines der wenigen verbliebenen Gebäude, eine neue Bestimmung. Hier wurde zur Parkeröffnung 2020 ein Artenschutzhaus eingerichtet, um das sich die lokale Gruppe des Naturschutzes Deutschland (NABU), die Vogelsang Stiftung aus Datteln und die RAG Montan Immobilien gemeinsam kümmern. Es ist das erste seiner Art im Ruhrgebiet und bietet Fledermäusen, Schwalben, Wildbienen, Käfern und vielen anderen Tieren einen Zufluchtsort.
Wenige, aber einprägsame Elemente erinnern noch an die montanindustrielle Vergangenheit dieser Fläche. Besonders typisch für den Park sind giftgrüne Rohre an den Eingängen, die an einigen Stellen auch kreativ gestaltete Sitzgelegenheiten bilden, und an die Industrie erinnernde Behältnisse. Geprägt wird der Park außerdem durch aufgeständerte Fernwärmeleitungen, die unübersehbar das Gelände durchqueren.
Doch nicht nur der See in der Mitte des Parks und die Wiesen voller Wildpflanzen garantieren die hohe Aufenthaltsqualität in der umgestalteten Industriebrache. Ebenso verfolgten die Planer stadtentwicklungspolitische Ziele. Mit der attraktiven Gestaltung dieses öffentlichen Ortes und der Anlage von Sport- und Freizeiteinrichtungen sollte das interkulturelle und generationenübergreifende Zusammenleben gefördert und gestärkt werden.
Vor dem Hintergrund der ökologischen Umgestaltung des ehemaligen Kokereigeländes in Gelsenkirchen-Hassel legt dieser Gasschieber ein beredtes Zeugnis ab von den gewaltigen Transformationsprozessen der zurückliegenden Jahrzehnte und von dem noch lange nicht abgeschlossenen Strukturwandel des Ruhrgebiets.
Material
Gusseisen
Höhe
430 cm
Nutzung
Dieser Absperrschieber war in der ehemaligen Kokerei Hassel in Gelsenkirchen im Einsatz. Er diente dazu, den gesamten Durchflussquerschnitt eines Rohres vollständig zu öffnen oder zu schließen. Dies wurde notwendig bei Wartungs- oder Reparaturarbeiten.
Zugang
1999 von der Kokerei Hassel der Ruhrkohle AG (RAG)