Kugelrund, mit einem Durchmesser von vier Metern und mit ihren an ein Sieb erinnernden Löchern sowie ihrem abnehmbaren Deckel erinnert die Stahlfilterkugel eher an ein riesiges Kochgefäß als an ein zentrales Anlageteil zur Gewinnung von Zinn aus Weißblechabfällen. Von 1952 bis 1990 diente sie der Firma Th. Goldschmidt in Essen als Tauchbehältnis in einer alkalisch-elektrolytischen Entzinnungsanlage für Weißblech. Dabei handelt es sich um ein aus weichem Stahl gewalztes Feinblech, dessen Oberfläche mit einer dünnen Zinnschicht überzogen ist. Weißbleche werden vor allem in der Lebensmittelindustrie für die Herstellung von Konservendosen oder für Verpackungen in der chemischen und pharmazeutischen Industrie verwendet.
Gefüllt mit zehn bis zwölf Tonnen Weißblechabfällen rotierten die Stahlfilterkugeln in Becken mit Natronlauge und Nitrit als Oxidationsmittel, wodurch sich das Zinn vom Blech löste. Bei diesem Vorgang entstand Natriumstannat, ein Natriumsalz der Zinnsäure. Das Natriumstannat wurde anschließend aus dem Bad gelassen und über ein Rohrleitungssystem weiteren Produktionsschritten zugeführt. Nach mehreren chemischen bzw. physikalischen Reinigungsverfahren konnte das Zinn zu Reinzinn vergossen werden. Das Zinn hatte einen Reinheitsgehalt von ca. 99,97 Prozent und wurde zu ca. 35 Kilogramm schweren Barren verschmolzen. Nach der Wäsche, die ca. 1,5 Stunden dauerte, wurden die gereinigten Bleche aus den Stahlfilterkugeln geschüttet und anschließend in die Schrottpresse gefüllt. Die Schrottpakete hatten einen Umfang von 60 x 40 x 100 Zentimeter und ein durchschnittliches Gewicht von 0,5 Tonnen. Die Schrottpakete wurden anschließend angebohrt und ihr Restzinngehalt festgestellt. Die von Goldschmidt verkauften Schrottpakete hatten einen Restzinngehalt von unter 0,05 Prozent Zinn. Mittels eines Magnetkranes wurden die Schrottpakete schließlich verladen.
Angefangen hatte alles in Berlin, wo die „Chemische Fabrik Th. Goldschmidt“ seit 1849 Zinnpräparate und -salze herstellte, die in der Kattundruckerei und Färberei (Preußisch bzw. Berliner Blau) benötigt wurden. Seit den 1880er Jahren setzte man sie auch in der Seidenindustrie ein, um den durch das Entbasten des Seidenfadens auftretenden Masse- und Gewichtsverlust wieder aufzufüllen. Steigende Zinnpreise zwangen das Unternehmen jedoch, neue Produktionswege einzuschlagen und die bei der Weißblechherstellung anfallenden Stanzreste zu verwerten. Bei der Produktion von Weißblechprodukten wie z.B. Konservendosen fallen in der Regel ca. 15 Prozent Abfälle in Form von Schnipseln, ausgestanzten Gittern oder abgeschnittenen Streifen an. Daraufhin wurde 1887/88 ein spezielles nasschemisches Verfahren entwickelt, bei dem die vor allem aus der angloamerikanischen Konservenindustrie stammenden Schneidabfälle in ihre Bestandteile Zinn und Stahlblech zerlegt werden konnten. Geboren war damit eines der ältesten Recyclingverfahren. Im Gegensatz zu heute spielten bei dieser damaligen unternehmerischen Entscheidung jedoch umwelt- und ressourcenschonende Aspekte keine Rolle.
Bessere Absatzmöglichkeiten im rheinisch-westfälischen Industriegebiet veranlassten die Firma, die Produktion 1889/90 nach Essen zu verlegen. Das bei der Entzinnung gewonnene Blech konnte den regionalen Stahlwerken und die Zinnchemikalien den Seidenfabriken im nahen Krefelder und im Wuppertaler Raum verkauft werden. 1912 führte die Firma ein alkalisches Entzinnungsverfahren mit Natronlauge ein. Die Firma Th. Goldschmidt war vor dem Ersten Weltkrieg das weltweit größte Unternehmen, das Weichblech entzinnt hat.
Die nach dem Zweiten Weltkrieg neu errichtete Entzinnungsanlage galt um 1960 als die modernste der Welt. Doch der starke Preisverfall für Zinn und Eisenschrott sowie die immer dünner werdende Zinnschicht auf den Blechen ließen Anlage und Verfahren allmählich unrentabel werden. 1990 wurde die Anlage in Essen stillgelegt und kurze Zeit später eine der Stahlfilterkugeln in die Sammlung des LVR-Industriemuseums übernommen.
Standort
Bis 1990 im Essener Werk der Th. Goldschmidt AG
Durchmesser
400 cm
Nutzung
Stahlfilterkugeln dienten der Gewinnung von Zinn aus Weißblechabfällen. Gefüllt mit zehn bis zwölf Tonnen Feinblech, das mit einer dünnen Zinnschicht überzogen ist, rotierten sie in Becken mit Natronlauge und Nitrit als Oxidationsmittel, wodurch sich das Zinn vom Blech löste.